Wer wohnt in diesem Körper aus Fleisch und Blut?
Ist da jemand?
Welche Unermesslichkeit verbirgt sich in der Begrenztheit des Körpers?
Wie können wir auf die Sehnsucht nach dem „Höheren“, dem „Besseren“ antworten, auf diesen Ruf nach der Wahrheit, der die Seele mitunter erfasst?
Wie können wir dieses innere Feuer noch leidenschaftlicher leben?
Welche Bedeutung haben die Gurdjieff-Movements für unser tägliches Leben?
Diese Entdeckungsreise ist von unschätzbarem Wert…
Gurdjieff entwickelte die Praxis der Movements gezielt als ein wirkungsvolles Wachstumswerkzeug, als eine Methode, die außergewöhnliche Bedingungen dafür schafft, die „Körper-Maschine“ so zu transformieren, dass sich die Kräfte der Intelligenz, des Herzens und des Handelns frei entfalten können, indem wir eine bestimmte Qualität der Achtsamkeit und Entspannung kultivieren.
Ernsthaftes Bemühen ist nötig, aber ein Bemühen mit Leichtigkeit… Wir können nicht frei über den inneren Himmel fliegen, wenn die Schwere des Ernstes uns zu Boden drückt.
Ernst wird oft mit Ernsthaftigkeit verwechselt. Ernst gehört zum Ego und führt zu Selbstherrlichkeit. Ernsthaftigkeit kommt vom Herzen, sie ist totaler Einsatz, eine Herzensangelegenheit…
Wenn wir in unseren Bewegungen, in unserem Tun total sind, können wir plötzlich tief in unserem Inneren den Ort der Stille entdecken, dem jegliches Bemühen fremd ist. Das ist der Urgrund unseres Seins.
Bemühen an der Peripherie – Mühelosigkeit im Zentrum
Aktivität an der Peripherie – absolute Inaktivität im Zentrum. Beim Üben der Movements wollen wir den inneren Beobachter stärken. Es geht darum, den Schwerpunkt unserer Wahrnehmung auf den Beobachter zu verlagern – vom Fluss der Bewegungen, der Energien, Emotionen und Gedanken auf den, der alles wahrnimmt.
Und doch sehen wir, wie wir dies immer wieder vergessen, wie wir uns von dem Bestreben ablenken lassen, etwas erreichen zu wollen, die Movements „richtig zu machen“, wie wir uns mit anderen vergleichen, wie wir in Werturteile und Tagträume abschweifen. So lebt es uns die Gesellschaft zumindest vor. Die Movements holen uns zurück zum Beobachter – und darüber hinaus, zu einem Anker der Stille und des inneren Friedens.
So läuft der innere Prozess ab, der innere Tanz der Achtsamkeit: vom Innen zum Außen, vom Außen zum Innen. Wenn wir lernen, unseren Körper von innen her wahrzunehmen – erst einen Teil nach dem anderen, dann im Zusammenspiel – wird unser ganzes Wesen mit einem Mal von der Wahrnehmung durchdrungen, dem lebendigen Empfinden, dass wir als Eins existieren. Diese Erfahrung könnte man als Präsenz bezeichnen.
Dann ist das Beobachten nicht nur auf den Körper beschränkt, sondern dehnt sich auf den Raum, auf die anderen Gruppenteilnehmer, die Musik und die Geräusche aus… Man bekommt Abstand zu Gedanken und Emotionen. Und im Kern aller Bewegungen erfährt man Stille, eine Inaktivität hinter der Aktivität…
- Das Gesehene ist Bewegungen, Formen, Rhythmus, Emotionen, Gedanken, die gemeinsame Bewegung in der Gruppe.
- Der Sehende ist Formlosigkeit, Inaktivität, Bewegungslosigkeit, Stille.
- Jede Bewegung entspringt diesem Zustand der Stille, und jede Bewegung vertieft wiederum diese Stille.
Die Movements sind ein fließender Strom, doch in ihrem Zentrum bewegt sich nichts. Durch die veränderlichen Formen, ob schnell oder langsam, rund oder staccato, wird uns das Unveränderliche, das Formlose bewusst. Daraus entsteht dieses Gefühl von Freiheit und Ausdehnung…
Die drei Elemente der menschlichen Natur sind bei den Movements stets beteiligt: Die Bewegungen des Körpers, des Herzens und des Denkens werden in harmonischen Austausch miteinander gebracht, in eine gewisse gemeinsame Schwingung versetzt. Deshalb ist es auch so wichtig, dass alle drei Komponenten dabei präsent sind:
Das Erwachen einer intimen Beziehung zum Körper durch das Wahrnehmen der Empfindungen, ob in Ruhe oder in Bewegung.
Der intellektuelle Anteil durch eine besondere Qualität der Achtsamkeit, manchmal auch durch Zählen, Wiederholung von Worten oder Sätzen.
Der emotionale Anteil wird durch die Musik mit angeregt, etwa indem sie einen bestimmten inneren Zustand in uns auslöst; oder durch eine Erinnerung an jemanden aus unserer Familie; durch die Einladung, uns in ein bestimmtes Gefühl hineinzuversetzen; oder durch das, was uns die anderen im Raum spiegeln.
Das Üben der Movements führt zu Ausgeglichenheit und Harmonie. Doch es erfordert intellektuelle, emotionale und körperliche Disziplin.
Das Wort „Disziplin“ wird heutzutage oft missverstanden. Es bedeutet lediglich „Bereitschaft zu lernen“, die tiefe Erkenntnis, dass wir ohne Orientierungshilfe endlos herumirren würden. Es ist ein freudiger Sprung ins Lernen…
In der Präzision und Schönheit der Movements tut sich eine Welt der Klarheit, der Liebe, der inneren Stärke, der Kreativität und des Handelns auf…